15.11.25
Zwischen Hoffnungen und zerplatzten Träumen
Erzählkonzert mit Roman Salyutov, Klavier
Cello: Yevgeny Sapozhnikov Violine: Alexander Lifland
Der Pianist und Orchesterleiter aus Bergisch-Gladbach ist immer für eine Überraschung gut. Diesmal brachte er zwei befreundete Musiker aus dem Beethoven-Orchester als Gastgeschenk mit in die Villa Weingärtner. Was ursprünglich als erzählerische Ein-Mann-Reise durch die russische Spätromantik geplant war, wurde zum Perforce-Ritt durch die klassische Moderne. Im ersten Teil – im bereits bekannten Format des Erzählkonzertes – standen Tschaikowsky und Prokofiev im Mittelpunkt, nach der Pause ging es fulminant im Trio weiter mit Rachmaninov und Schostakowitsch. Wer an diesem Abend an den Kaffeehaustischen saß, ging mit dem Gefühl nach Hause, große Musik virtuos und hautnah erlebt zu haben.
Programm
Peter Tschaikowsky Walzer-Scherzo, Meditation, Dumka (russische ländliche Szene) Sergej Rachmaninov Ausgewählte Präludien & Etudes-Tableaus
Sergej Prokofiev Auszüge aus der Violinsonate Nr. 1
Dmitri Schostakowitsch Auszüge aus der Cellosonate und dem Trio Nr. 2
29.10.25
Europäischer Salon zur Kommunalpolitik
Otto Neuhoff im Gespräch mit Daniela Weingärtner
Nach elf turbulenten Jahren hat sich der parteilose Bad Honnefer Bürgermeister Otto Neuhoff aus der Kommunalpolitik verabschiedet. An seinem vorletzten Arbeitstag schaute er in der Villa Weingärtner vorbei, um einen kritischen Blick nach vorn zu wagen. Was muss sich strukturell ändern, damit die kommunale Ebene Gestaltungsspielräume zurück gewinnt? Wie kann der wechselseitige Unmut zwischen Lokalpolitikern und ihren Bürgern abgebaut werden?
Wer bestellt, bezahlt – nach diesem Prinzip möchte Neuhoff die Finanzen auf die jeweiligen Entscheidungsgremien verteilt sehen. Tatsächlich aber denken sich Bund und Länder häufig neue Aufgaben für die Kommunen aus, die sowohl personell als auch finanziell gestemmt werden müssen – ohne entsprechenden Ausgleich. Da wundert es nicht, dass in diesem Jahr in NRW nur zehn von insgesamt 396 Kommunen einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können.
Damit sich auch in Zukunft kluge Menschen in der Kommunalpolitik engagieren, muss ihnen von ihren Wählern wieder mehr Wertschätzung entgegengebracht werden. Strafzettel, die im Einkaufswagen der Ehefrau landen, Pöbeleien gegen die Kinder in der Schule, wilde Drohungen über Soziale Medien – all das hat Neuhoffs Familie erlebt. Immer weniger Menschen sind bereit, sich selbst und ihren Lieben diesen Druck zuzumuten – entsprechend sinkt die Zahl derjenigen, die sich um ein politisches Amt bewerben.
Viele Wähler haben nach Neuhoffs Wahrnehmung einen Rundum-Versorgungsanspruch an den Staat, sind aber selbst nicht mehr bereit, sich zu engagieren. Ein Leserbrief zur leidigen „Stadtbild-Debatte“ spricht dem scheidenden Bürgermeister aus dem Herzen: „Fakt ist: Wir haben öffentlichen Räumen unsere Präsenz, unser Geld und unsere Aufmerksamkeit entzogen und uns ins Private geflüchtet. Wir reisen rastlos und unentwegt um die ganze Welt und ziehen uns zurück in virtuelle Räume … Die Verwahrlosung unserer Innenstädte ist dabei Spiegelbild unseres eigenen, (selbst)zerstörerischen Umgangs mit öffentlichem Raum.“ Neuhoff ergänzt diese Beobachtung mit einem Beispiel: Überall müssten öffentliche Schwimmbäder aus Finanznot und Personalmangel schließen, während die Zahl der privaten Pools zunehme.
23.10.25
Europäischer Salon: 50 Jahre Schlussakte von Helsinki
Klaus Prömpers im Gespräch mit Eberhard Pohl
Einen eher stillen Geburtstag begeht dieses Jahr die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die aus der KSZE hervorging. Nach Mauerfall und Systemwende 1994 gegründet, sieht sie sich heute mit Bedeutungsverlust, internem Streit und knappem Budget konfrontiert. Aus den einst 35 Unterzeichnerländern der Schlussakte (darunter die DDR mit Erich Honecker, Helmut Schmidt für die Bundesrepublik, US-Präsident Gerald Ford und Leonid Breschnev für die UdSSR) sind mittlerweile 57 Teilnehmerstaaten geworden.
Russland, die USA und die Ukraine sitzen gemeinsam am Tisch, was dem Wiener Korrespondenten Klaus Prömpers zufolge dazu führt, dass bei jeder Sitzung zunächst eine Stunde lang gestritten werden muss, bevor die Tagesordnung abgearbeitet werden kann. Noch immer ist die OSZE die weltweit größte regionale Sicherheitsorganisation mit zahlreichen Friedensmissionen und Wahlbeobachterteams. Beschlüsse können nur im Konsens gefasst werden, was sich aktuell sehr lähmend auswirkt.
Die Teilnehmerstaaten der OSZE haben sich auf grundlegende Prinzipien verpflichtet, insbesondere den Verzicht auf Androhung oder Anwendung von Gewalt, die Achtung territorialer Integrität sowie die Respektierung der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker. Ihr gemeinsames Ziel ist die Zusammenarbeit in den drei Dimensionen der Sicherheit, der politisch-militärischen, der Wirtschaft und Umwelt sowie der Menschenrechte und Demokratie.
Spätestens mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sind die Fundamente der OSZE infrage gestellt. Die Zusammenarbeit der Teilnehmerstaaten leidet unter Konfrontation und vielfältigen Blockaden. Eine europäische Friedensordnung, in der Streitfälle friedlich geschlichtet werden und Sicherheit miteinander, nicht gegeneinander organisiert wird, schien lange möglich und klingt heute wie eine ferne Utopie.
Doch ist, wie der ehemalige OSZE-Botschafter Eberhard Pohl betonte, bislang niemand aus der Organisation ausgetreten – auch Russland nicht. Fast scheint es, als wollten alle Beteiligten den letzten verbliebenen Gesprächskanal offenhalten – vielleicht als Plattform für Gespräche über eine Nachkriegsordnung. Denn wer könnte einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine absichern? Natotruppen an der Grenze zu Russland scheinen undenkbar. Eine OSZE-Mission wäre vielleicht eine Alternative.
Klaus Prömpers leitete unter anderem die ZDF-Studios in New York und Wien. Er berichtete für den Sender regelmäßig aus den Balkanstaaten. Heute arbeitet er als freier Journalist in Wien. Eberhard Pohl war mehrere Jahre lang deutscher Gesandter bei der OSZE, danach ständiger Vertreter und in dieser Eigenschaft führte er 2016 den Vorsitz im Ständigen Rat der Organisation.
Kundig setzten Prömpers und Pohl ein interessiertes Publikum darüber ins Bild, was das Papier, auf dem Abrüstungs- und Kooperationsverträge gedruckt wurden, heute noch wert ist. Moderatorin Daniela Weingärtner sorgte dafür, dass im Paragraphendschungel die große Linie nicht aus dem Blick geriet.
12.06.25
Salon mit Doris Simon, Washington
Vor knapp zwei Jahren war DLF-Korrespondentin Doris Simon zuletzt in der Villa Weingärtner zu Besuch. Die Wette, die sie damals mit einem Gast schloss, hat sie zu eigenem Bedauern gewonnen: Donald Trump ist für eine zweite Amtszeit gewählt worden. Seither fühlt sie sich in der näheren Umgebung des Weißen Hauses nicht mehr ganz so wohl wie früher. Erzkonservative Republikaner paradierten dort in einer Haltung, als gehöre ihnen die Stadt.
Simons Sympathie für die Menschen außerhalb der Regierungsblase hingegen ist unverändert groß. Sie bewältigten einen deutlich schwierigeren Alltag als die meisten Europäer ihn kennen mit zupackender Zuversicht und nachbarschaftlicher Solidarität. Auf unzähligen Reisen von Kanadas Grenze bis hinunter in den tiefen Süden hat Doris Simon Menschen getroffen, deren Geschichten in Reportagen und Berichten ihren Niederschlag finden. Noch bis Ende dieses Jahres wird sie aus Washington für den Deutschlandfunk berichten, danach beginnt ein neuer beruflicher Abschnitt in Berlin.
24.05.25
Sommermärchen mit Griseldis
Märchen sind Problemlösungsgeschichten. Und seit Jahrhunderten gibt es reichlich Probleme, wenn sich zwei zusammentun wollen: Die Eltern, der Stand, das Geld – jede Menge Hindernisse müssen überwunden werden, bis Vermählung gefeiert werden kann. Davon können moderne Brautpaare ebenso ein Lied singen wie die in alter Zeit. Das Gemäuer der Villa Weingärtner hat als Außenstelle des Standesamtes Unkel davon sein Scherflein zu sehen bekommen. Und natürlich konnte unsere Märchenexpertin Griseldis mit Geschichten über Hoch-Zeiten und Hochzeiten rund um den Globus die Irrungen und Wirrungen aufs Unterhaltsamste illustrieren.
25.04.25
Europäischer Salon zur Lage in Syrien
Im Grenzgebiet zur Türkei ist die Lira Verkehrswährung, weiter östlich beharrt die kurdische Autonomieregion auf ihrer Unabhängigkeit und bewacht ein Lager mit 70 000 Familienangehörigen des Islamischen Staates, im Süden sitzen die Drusen, im Westen die Alawiten – da stellt sich natürlich die Frage, ob ein Post-Assad-Staat unter einem ehemaligen islamistischen Rebellen Überlebenschancen hat. Birgitta Siefker-Eberle, vor ihrer Pensionierung zuletzt Botschafterin in Amman und profunde Kennerin der Region, plädierte im Gespräch mit Eberhard Pohl (Ex-Botschafter in der Türkei) für Optimismus ohne Naivität und riet dazu, die Sanktionen gegen das Land zügig aufzuheben, damit die Wirtschaft sich erholen kann. Derzeit leben 90 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Auch wenn in der syrischen Exilgemeinde in Deutschland derzeit viel über Rückkehr gesprochen wird, überwiegen bei den meisten doch die Sorgen, ob sich die Lage stabilisieren wird. Eine junge Frau im Publikum, die mit 14 Jahren nach Deutschland kam und inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, fragte: „Warum reden hier alle immer nur von Abschiebung, Abschiebung, Abschiebung?“
Da konnte Siefker-Eberle beruhigen: „Wenn Sie deutsche Staatsbürger sind, kann niemand Sie wegschicken. Und es wäre auch nicht in unserem Interesse, all die motivierten und gut ausgebildeten jungen Leute wieder zu verlieren.“
11.04.25
Gedichte und Lieder zum Schmunzeln und Schmecken
Poesie ist Wahrheit in Sonntagskleidern – hat der französische Dichter und Pastor Roseph Roux gesagt. Und diese Kleider müssen „anne Luft“, sagt die Bruchhausener Poetin Marianne Troll und brachte ihre Alltagsgedichte, kleine philosophische Betrachtungen und Aphorismen einem Publikum zu Gehör, das sich von den Worten gerne zum Nachdenken und zum Lachen bringen ließ. Dazu lieferten Uli Bellinghausen und Johannes Peikert den passenden Sound: Kölsche Töne, Kölsche Klänge und eine Prise Nostalgie. Am Ende sangen alle mit: „In unserem Veedel“ … was in diesem Falle hieß: In Scheuren in der Villa Weingärtner.
13.03.25
Europäischer Salon mit Kay Scheller
Am Nachmittag titelt der Spiegel: „Bundesrechnungshof kritisiert geplante Grundgesetzänderungen“. Knapp zwei Stunden später trifft der Chef der obersten Prüfungsbehörde in Unkel ein und setzt sich in der Villa Weingärtner aufs Podium – das nennt man perfektes Timing.
Weniger erfreulich sind die Aussichten, die Kay Scheller dann im Gespräch mit dem Wirtschaftsjournalisten Konrad Handschuch für unser aller Zukunft auffächert: Schulden in einem Umfang, wie sie in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig sind. Nicht einmal die von der Nato als Minimum geforderten 2 Prozent des BIP für Verteidigung will die neue Regierung aus dem Kernhaushalt finanzieren, sondern nur die Hälfte davon – also deutlich weniger als bisher. „Mit den freiwerdenden Mitteln will sie den Bürgern neue Geschenke machen. Viele Wohltaten, die kosten. Das ist jetzt der falsche Weg,“ so der leidenschaftlich für mehr Spardisziplin werbende Bundesrechnungshofschef. „Statt mit Blut, Schweiß und Tränen auf die neue existenzielle Bedrohung zu reagieren, erhöhen wir die Mütterrente, führen den niedrigeren Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie wieder ein und subventionieren Diesel für die Landwirtschaft.“
Natürlich müsse ein bedrohter Staat wehrhaft werden, das sei „Priorität Nummer eins.“ Aber zunächst müsse der Bedarf definiert und vor allem auch geprüft werden, was aus anderen Bereichen umgeschichtet werden könne. Stattdessen öffne man unter der euphemistischen Bezeichnung Sonder – „vermögen“ (Scheller: „Eine Mogelpackung!“) den Geldhahn. Gleichzeitig könne das System den Eurosegen nicht immer sinnvoll verarbeiten.
Wo zu sparen wäre, dazu hat der Behördenchef einige Vorschläge, die nicht allen gefallen dürften. Es bedürfe eines durchgreifenden Konsolidierungsplans, der alle gesellschaftlichen Gruppen berücksichtige. Auch die Bundeswehr müsse sich bewegen – raus aus der Amtsstube, rein in die Kampftruppe. Überhaupt, die Behörden … Die schleppende Digitalisierung der Verwaltung ärgert ihn. „Da funktioniert zu wenig!“ Es fehle eine zentrale Verantwortung, ein eigenes Digitalministerium sei überfällig. Seine eigene Behörde habe er konsequent auf Digitalisierung ausgerichtet – und damit einhergehend Bürokratie abgebaut.
Mit der Verschuldung im jetzt geplanten Ausmaß riskiere Deutschland, seine Rolle als Stabilitätsanker in Europa zu verlieren. „Deutschlands bisherige Bonität hilft, die Staatskredite in Frankreich und Italien bezahlbar zu halten. Wenn Ausfallrisiken steigen, die Ratings schlechter würden, erhöhten sich die Risikoaufschläge im Euroraum.“ Mit den geplanten Sonderschulden für Verteidigung und Infrastruktur komme Deutschland auf eine Schuldenstandsquote, die die Bonität verschlechtern könnte.
Wenn alles kommt, wie von der neuen Bundesregierung anvisiert, könnten sich die Bestandschulden absehbar auf 3500 Milliarden Euro erhöhen – damit wäre Deutschland ein Schuldenchampion in Europa.
09.03.25
Franz Liszt – Ein Künstlerleben zwischen Extremen
Mit einem heiteren Erzählkonzert, dessen konzertanter Teil als fulminant bezeichnet werden muss, hat Roman Salyutov die Gäste in der Villa Weingärtner erfreut. Der Pianist und Orchesterleiter illustrierte Aspekte im Leben und Werk von Franz Liszt, die nicht zum üblichen eingängigen Liszt-Repertoire gehören.
In der Zeit vor Liszt existierte die konzertante Klavierkunst nicht in der Form, die für das heutige Konzertleben typisch ist. Der junge deutsch-ungarische Künstler, beflügelt von den Glückwünschen des großen Ludwig van Beethoven, eroberte die Musikmetropole Paris im Sturm und änderte für immer die Entwicklungsrichtung der Klaviermusik. Ganz Europa lag dem „König aller Pianisten“ zu Füßen. Bewundert wurde er vor allem für seine unvergleichlichen virtuosen Fähigkeiten. Seine andere – poetisch-philosophische – Seite blieb dem Publikum weitgehend unzugänglich, sodass der Meister neben grandiosen Triumphen auch Stunden der Bitterkeit und Verzweiflung erleben musste. Komponist, Pianist, Dirigent und Aufklärer – Liszt vollzog eine wahre Revolution in der Musikgeschichte, die ohne ihn einen anderen Lauf genommen hätte.
Am 15. November wird Roman Salyutov seine Erzählkonzert-Reihe mit einem Abend zu Tschaikowski, Rachmaninov und Prokofiev fortsetzen.
























































































































































