01.12.23
Griseldis erzählt nordische Märchen
Wenn die alten Tollweiber dort Julfest feiern, ist es mit adventlicher Beschaulichkeit vorbei. Draugs, Huldren, und Alfen bevölkern die Geschichten aus Skandinavien bis hinauf ins eisige Island. Die Erzählerin hat in der Villa inzwischen viele Stammgäste, die sich immer wieder gern in die Welt starker Frauen, empfindsamer Männer und kluger Tiere entführen lassen. Es wird auch gekämpft, geliebt und gelitten, mal schaurig, mal tröstlich, mal erheiternd – Märchen mit Griseldis sind immer emotional.
„Es ist faszinierend, wie sich in den nordischen Märchen die Bräuche für die alten Götter mit dem christlichen Weihnachtsfest mischen. So manches, was in grauen Vorzeiten an Geheimnisvollem zur Winterwendezeit geschah, hat Eingang gefunden in die Überlieferungen zur Weihnachtsnacht. Da gibt es keine Abgrenzungen.“ So hat es Griseldis bei der Arbeit mit diesen Märchenwelten erfahren.
Der Abend stand wie immer unter dem Motto: „Mit allen Sinnen genießen“. In der Pause gab’s kleine Köstlichkeiten, die das Erlebnis für Ohr und Auge dann auch noch mit Duft und Geschmack verbanden.
24.11.23
Gesammelte Heiterkeiten mit Larissa Lae und Rainer Selmann
Von Ringelnatz bis Bukowksi, von Loriot bis Karl May – das inzwischen in Unkel renommierte Duo brachte sein Publikum zum schmunzeln, zum gruseln und zum staunen. In der Pause gab’s wie immer angeregte Gespräche und einen herzhaften Imbiss. Trotz Blitz, Donner und Eisregen machten sich hinterher alle Gäste vergnügt und gestärkt auf den Heimweg.
09.11.23
12. Salon zu den europäisch-chinesischen Beziehungen
Seit zwei Jahren blicken wir vom kleinen Unkel aus auf den Rest der Welt. Nach Russland/Ukraine, Geschichten aus dem Bundesrechnunghof, einem kleinen Exkurs zur gemeinsamen Währung und einem aufschlussreichen Abend über die Befindlichkeiten jenseits des Atlantik war diesmal China an der Reihe. Unser Mitorganisator Dirk Brengelmann konnte seinen Universitätskollegen Maximilian Mayer gewinnen. Professor Mayer ist nicht nur ein profunder Kenner des südostasiatischen Wirtschaftsraums, sondern hat selbst Familie in China und hat dort mehrere Jahre gelebt
Der Ton zwischen Peking und Brüssel scheint rauher zu werden. Nach jahrelangen Appellen von europäischer Seite, doch bitteschön die Regeln wirtschaftlicher Fairness einzuhalten, packt die Generaldirektion Wettbewerb jetzt ihre Instrumente aus. Sie kündigte an, die staatliche Förderpraxis bei der Produktion von Elektroautos für den europäischen Markt unter die Lupe zu nehmen.
Maximilian Mayer sieht solche Entwicklungen kritisch. Die Brüsseler Behörde vertraue unverändert auf die Regeln der Welthandelsorganisation, die nicht auf die aktuellen Probleme passten. Ein neues Konzept fehle. Man sei sich innerhalb der EU nicht einig, wo die Reise hingehen soll. Keinesfalls dürfe man sich für einen Handelskrieg zwischen den USA und China einspannen lassen. Vielmehr sollten die Europäer deeskalierend wirken und versuchen, möglichst viele Handelsbündnisse mit Mittelmächten wie Südkorea, Vietnam, Indonesien oder Japan zu schließen.
Spannend und für viele Zuhörer neu waren Mayers Einblicke in die aktuelle wirtschaftliche Situation in China. Das Land leide weiterhin unter den Folgen der Ein-Kind-Politik, Arbeitskräfte würden knapp. Familienförderung habe bislang keine Trendumkehr gebracht. Deshalb steuere die Führung um. Statt Billigarbeitskräfte für den Weltmarkt zur Verfügung zu stellen, werde hochklassiger produziert, um möglichst viel Mehrwert im eigenen Land abzuschöpfen. Die schrumpfende Wirtschaft sei nicht nur dem Arbeitskräftemangel geschuldet, sondern eine Folge der radikalen Abschottung ganzer Produktionszentren unter Corona. Durch diese Politik und die ebenso plötzliche Aufhebung aller Seuchenauflagen habe die Parteiführung im Volk viel Glaubwürdigkeit eingebüßt. Der Unmut mache sich in privaten Gesprächen deutlich Luft.
Für Europa könnte der stockende chinesische Motor eine Chance bedeuten. Als die für „Werte und Transparenz“ zuständige EU-Kommissarin Véra Jurova im September nach Peking reiste und ihre Gesprächspartner aufforderte, den Export produktionsrelevanter Daten aus Firmen, die in China investieren, zuzulassen, wurde Kompromissbereitschaft signalisiert. Laut Mayer ist die EU für China noch immer ein wichtiger Partner. Klare Ansagen würden in Peking verstanden. „Merkel hat den Dalai Lama getroffen, und es hat der deutschen Wirtschaft in China keinen Abbruch getan. Ähnliches würde ich mir von der aktuellen Bundesregierung auch wünschen.“ Die unklare außenpolitische Linie der Ampelkoalition sei ein ähnliches Problem wie die unklare Haltung der EU insgesamt.
Im bis auf den letzten Platz besetzten Saal lauschten die Zuhörer diesen Erkenntnissen aufmerksam. Die Publikumsfragen drehten sich unter anderem um Taiwan, das – wie Professor Mayer ausführte – völkerrechtlich zu China gehört und nur von wenigen Ländern als selbstständig anerkannt wird. Eine Handhabe für Sanktionen oder gar militärisches Eingreifen gebe es also nicht, wenn China eine gewaltsame Invasion plane. Logistisch sei ein solcher Schritt aber deutlich schwieriger umzusetzen als die Okkupation der Ukraine durch Russland.
15.09.23
Elena Gonscharova singt Klassisches und Chansons
Die romantischen Liederzyklen von Schumann, Brahms oder Schubert sind in Deutschland gut bekannt. Doch auch deren russische Zeitgenossen haben ein reiches Repertoire an klassischen Liedern hervor gebracht. Die in Kasachstan geborene und dort ausgebildete Sopranistin Elena Gontscharova widmete den ersten Teil des Abends dieser Musik und brachte uns Nikolai Rimski-Korsakow, Michail Glinka und Sergej Rachmaninov näher. Nach der kulinarischen Pause mit original russischem Vorspeisenteller ging es dann heiter zu mit deutschen Chansons der 30er Jahre, mit Operetten- und Musicalausschnitten.
11.09.23
Doris Simon beim 11. Europäischen Salon
Die USA-Korrespondentin des Deutschlandfunks gab einem interessierten Publikum Einblicke in ihren Arbeitsalltag
In den ersten Monaten war der Barrista im Café an der Ecke ihr einziger Sozialkontakt. In der härtesten Phase von Covid, „als die Menschen in den USA starben wie die Fliegen“, kam Doris Simon als Korrespondentin für den Deutschlandfunk nach Washington. Sie arbeitete in einer Suppenküche, weil dringend Helfer gebraucht wurden und weil es eine gute Möglichkeit schien, um etwas Tuchfühlung aufzunehmen mit einer Stadt im Quarantänemodus.
Nach dem Umzug in eine renovierte einstige Arbeitersiedlung wurde es besser. Die Nachbarn verabredeten sich ein Mal wöchentlich zum Apéritiv, eine Gewohnheit, die sie nach Covid beibehalten haben. So näherte sich Simon ihrem neuen Lebens- und Arbeitsplatz schrittweise an. Wie kommt sie an Informationen? Von direkten Kontakten zu Regierungsmitarbeitern, Abgeordneten oder Senatoren können ausländische Korrespondenten in den USA nicht einmal träumen. Die Funktionsträger sind voll damit beschäftigt, ihre Wähler bei Laune zu halten und Spenden für die nächste Wahl zu akquirieren. Da bleibt oft nur der Blick auf den Fernsehbildschirm oder ins Internet.
Dennoch könnte Simon ihre Arbeit nicht von Deutschland aus leisten. Ein Gefühl für die Stimmung vor Ort, für die Gespräche im Bus oder auf der Straße, macht eben genau den Unterschied aus zu einem Bericht aus der Retorte. Alle sechs Wochen versucht sie die Washingtoner Blase für ein paar Tage hinter sich zu lassen und der Vielfältigkeit Amerikas auf die Spur zu kommen. Montana, sagt sie, sei wirklich so schön wie es in der Serie „Yellowstone“ gefilmt werde – eigentlich noch viel schöner.
Für den kommenden Wahlkampf sagt Simon ein Duell der alten Männer voraus – mit denkbar knappem Ausgang. Die derzeit vier anhängigen Gerichtsverfahren schadeten Donald Trump in den Augen seiner Wähler nicht – im Gegenteil. Trumps Taktik sei es seit Jahrzehnten, Gerichtsverfahren mit allen Tricks zu verschleppen. Und zur Not würde er die USA auch vom Gefängnis aus führen. Seine Mannschaft sei – im Gegensatz zur ersten Amtszeit 2017 bis 2021 – hervorragend vorbereitet.
Auf dieser negativen Note aber wollte Doris Simon den Abend keinesfalls enden lassen. „Es ist ein großartiges Land mit großartigen Menschen“, sagt sie. Vom freundlichen Miteinander, aber auch vom klaglosen täglichen Ringen um eine würdige Existenz unter sehr harten Bedingungen könnten sich die Europäer ruhig eine Scheibe abschneiden..
04. und 11.08.23
Vor vollem Saal: Märchen mit allen Sinnen
Jahrelang hatten die Brüder Grimm für ihre Märchensammlung dem Volk aufs Maul geschaut. Doch die Version ihrer Geschichten, die 1857 in aktualisierter Auflage erschien, hatte mit den „Urmärchen“ nicht mehr viel gemein. Viele Frauengestalten hatten ihre Wildheit und ihren Widerspruchsgeist verloren, Erotisches und Pikantes wurde aus den Stories gestrichen – fast wie im Hollywood unserer Zeit.
Durch einen glücklichen Zufall aber fiel der historischen Forschung doch eine Kopie der ursprünglichen Sammlung in die Hände, die die Grimms seit 1806 für Clemens von Brentano zusammengestellt hatten. Und so konnte die Märchenerzählerin Griseldis ihrem Publikum an vielen Beispielen zeigen, wie die Grimms zur Jahrhundertmitte hin dem offiziell propagierten Frauenbild der Kümmerin und Hüterin, der Umsorgerin der Familie und demütigen Dienerin ihres Gebieters am heimischen Herd Rechnung trugen. Es war das Frauenbild, das die Königin Luise von Preussen zum Ideal erhoben hatte.
Wo der König Drosselbart zu Anfang des Jahrhunderts seine Prinzessin noch um Verzeihung gebeten hatte für die Demütigungen, die er ihr zufügte, packten die Grimms 40 Jahre später noch ein paar Erniedrigungen obendrauf, und ein „Schuldigung“ brachte der Bräutigam nicht mehr über die Lippen.
In der Pause wurde – ganz im Stil der verhandelten Zeit – ein Graupengericht und eine Nachspeise mit Waldbeeren serviert. Diese Speisung aller Sinne kam beim Publikum so gut an, dass eine Woche später ein zusätzlicher Abend organisiert werden konnte.
Lebendig und humorvoll erläuterte Griseldis den historischen Rahmen – durchbrochen von vielen lebensprallen und farbenfrohen Geschichten. Den Drosselbart allerdings, so versicherte sie ihrer Zuhörerschaft, den wird man sie niemals erzählen hören.
22.06.23
10. Europäischer Salon
zu den deutsch-französischen Beziehungen
Stottert er wieder, der deutsch-französische Motor, oder ist ihm gar der Sprit ausgegangen? Treiben wir ihn künftig solar oder mit Atomstrom an? Darüber sprach Dirk Brengelmann mit Landry Charrier, der bis vor Kurzem Leiter des Institut Francais in Bonn war und heute an der Sorbonne lehrt. Hans-Dieter Heumann, Lehrbeauftragter am historischen Institut der Universität Bonn, meint dazu: Die deutsch-französischen Beziehungen sind besser als ihr Ruf. Bis 2015 war Heumann Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin, davor machte er an mehreren Botschaften Station, unter anderem als deutscher Vertreter im deutsch-französischen Sicherheitsrat.
Beide widersprechen Robert Menasse, der kürzlich zu einer Predigt im Dom zu Aachen eingeladen war. Dort sagte der österreichische Schriftsteller: „Da stehe ich nun vor Euch, Brüder und Schwestern, hier in Aachen, und weiß nicht, wie Ihr über den Aachener Vertrag denkt, der Deutschland und Frankreich enger aneinander binden soll. Natürlich will ich ihn loben, denn wie könnte man gegen die vertiefte Zusammenarbeit dieser beiden großen europäischen Nationen Einwände haben? Und doch muss ich gestehen, dass ich, als Europäer, der weder Deutscher noch Franzose ist, diesen Vertrag und die Politik, für die er steht, ambivalent sehe. Denn was er an Zusammenarbeit zwischen Nationen befördert, blockiert er an der Weiterentwicklung der Europäischen Union und befördert die Widersprüche zwischen nationaler und Gemeinschaftspolitik.“
Das sahen unsere Gäste anders. Sie bleiben dabei: Wenn Deutschland und Frankreich nicht voran gehen, bewegt sich nichts in der Europäischen Union.
17.06.23
Zwei Iren in … Unkel!
Treue taz-Leser, Freunde der skurrilen irischen Anekdoten und Fans von Harry Rowohlt kennen ihn: Ralf Sotscheck. Mit seinem Freund und Bühnenpartner Patrick Steinbach (Gitarre) kam er nach Unkel, um uns die Grüne Insel näher zu bringen, aus seinen Büchern und lesen und Kurioses, Liebenswertes und Nachdenkliches zu erzählen, das er auf seinen Reisewegen aufgesammelt hat. Passend dazu spielte Steinbach für uns keltische Weisen und eigene Kompositionen.
01.06.23
Jutta Meier und Axel Voss beim 9. Europäischen Salon
Erstaunlich einig waren sich die Gründerin des „Identity Valley“ und der Europaabgeordnete mit Schwerpunkt Digitalpolitik, dass zwischen dem Schutz persönlicher Informationen und der Nutzung von Daten zum Wohle aller das gesetzliche Gleichgewicht neu justiert werden muss. Die „Datenschutzgrundverordnung“ allerdings, die mit ihrer Cookie-Abfrage viele Internet-Nutzer in den Wahnsinn treibt, ist für Meier nach wie vor der „Goldstandard“, während Voss eine Überarbeitung des erst 2018 verabschiedeten Gesetzes für notwendig hält. „Fünf Jahre – das ist in der digitalen Welt eine Ewigkeit“, so Voss.
Moderator Jochen Hoenig zitierte einen Bad Honnefer Medizinentwickler, der sich von den Möglichkeiten in Ländern wie China durch zu restriktive Datenschutzgesetze abgehängt sieht. Meier plädierte dafür, von der „angstgesteuerten Haltung“ beim Thema künstliche Intelligenz (KI) wegzukommen und „die Riesenchance“ zu sehen, eigene europäische Systeme zu entwickeln, die bei den Kunden mehr Vertrauen genießen würden. Auch Voss hält KI für eine Chance. Aufgabe des Gesetzgebers sei es aber, „die Balance zu halten und Entwicklungen zu stoppen, die die Demokratie unterminieren und eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit bedeuten.“ Statt eines weiteren überfürsorglichen Verbraucherschutzgesetzes solle man künftig lieber auf Produktregulierung setzen.
In der Publikumsrunde am Ende machten viele ihrem Frust darüber Luft, dass Deutschland in der Digitalisierung stark hinterher hinkt. Hoenig erwähnte das Beispiel eines Freundes, der sein Auto in Nicaragua online ummelden konnte, beim Umzug von Bad Honnef nach Rheinbreitbach aber sowohl in Siegburg als auch in Neuwied zur Zulassungsstelle gehen musste. Dazu Voss: „In der Verwaltung hat sich Lethargie und Resignation breit gemacht. Sobald der Datenschutz ins Spiel kommt, ist jede Innovation ausgebremst.“ Für die überfälligen Reformen würden teure Experten gebraucht. „Google zahlt guten Leuten 100 000 Euro Einstiegsgehalt. Das passt nicht in die Gehaltsstruktur einer deutschen Verwaltung.“ Meier plädierte dafür, die gesetzliche Grundlage so zu schaffen, „dass der Mensch im Vordergrund steht.“ Es müsse zum Beispiel möglich sein, Gesundheitsdaten für die Forschung zu tauschen, so die Gründerin des in Unkel angesiedelten „Identity Valley“.
Die NGO hat gemeinsam mit Fachleuten aus der Branche begonnen, „Digital Responsibility Goals“ zu entwickeln. Sie sollen, ähnlich wie die Nachhaltigkeitsziele der UN, zum Gradmesser dafür werden, ob ein Unternehmen Daten verantwortungsvoll und sicher verarbeitet. Am Ende könnte ein dem Biosiegel vergleichbares Zertifikat stehen, das dem Nutzer sagt: Diese Webseite kann ich unbesorgt besuchen, jene Fragen kann ich offen beantworten, denn meine Daten werden garantiert anonymisiert.
Von der gesetzgeberischen Seite aus schaut Axel Voss auf das gleiche Thema. Der CDU-Europaabgeordnete mit Wahlkreis Mittelrhein hat sich bei der politischen Auseinandersetzung um das digitale Urheberrecht nicht nur Freunde gemacht. Google lancierte zeitweise eine regelrechte Kampagne gegen ihn. Dennoch setzt er sich weiter dafür ein, dass die neue Technik so reguliert wird, dass sie den Menschen förderlich sein kann.